Stralsunder Metallspezialisten wollen Stahlverarbeitung stärker automatisieren

Glawe: Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zu Prozesserleichterungen für metallverarbeitende Unternehmen

22.01.2018
ostseestahl

Bei der Bearbeitung große Stahlplatten unter normaler Umgebungstemperatur sind mehrere hundert Tonnen an Kraftaufwand nötig. Foto: Ostseestaal GmbH & Co. KG

Die Stralsunder Ostseestaal GmbH & Co. KG forscht derzeit im Verbund mit Partnern der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. und der Universität Rostock an einem neuen Ansatz zur Stahlblechverformung. Die Automatisierung der dreidimensionalen Blechverformung von Grobblechen aus Stahl galt bisher in der Branche als nicht umsetzbar. Während bei der Warmumformung hohe Temperaturen erforderlich sind, um das Stahlblech dauerhaft in die gewünschte Form zu bringen, sind bei der Blechumformung im sogenannten kaltplastischen Bereich in Abhängigkeit von der jeweiligen Blechdicke hohe Pressenkräfte aufzubringen. „Um große Stahlplatten bei normaler Umgebungstemperatur zu bearbeiten, sind Pressenkräfte in Höhe von mehreren hundert Tonnen nötig. Die Ostseestaal GmbH & Co. KG will deshalb gemeinsam mit ihren Verbundpartnern ein Verfahren entwickeln, um die kaltplastische Stahlverarbeitung zukünftig automatisiert zu realisieren. Das kann in den metallverarbeitenden Unternehmen enorme Prozesserleichterungen bringen“, sagte der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Harry Glawe.

 

Ziel: Wirtschaftliches Verfahren für die automatisierte 3D-Umformung von Blechen

Ein wirtschaftliches Verfahren für die automatisierte 3D-Umformung von Grobblechen gilt seit langem als Entwicklungsziel in der Metallbranche. In Laborversuchen konnten bislang lediglich Ansätze für eine aufwendige Technik untersucht werden. Als besonders problematisch erwiesen sich bisher immer die elastischen und plastischen Eigenschaften der zu verformenden Werkstoffe. Insbesondere bei der kaltplastischen Verformung ist die verformende Krafteinwirkung auf den Werkstoff aufgrund der Vielzahl an variablen Parametern nur mit extrem hohem Aufwand vorhersagbar. Daher war eine praktische Anwendung in der Fertigung bisher nicht möglich.

Jetzt planen die Projektpartner ein Handhabungssystem, das mit einer NC-gesteuerten Bewegung und Führung (NC = Numerische Steuerung; englisch Numerical Control) der Blechplatten die automatisierte kaltplastische Umformung ermöglicht. Experimentelle Untersuchungen sollen die Grundlage für die Bildung von validierten Modellen für die Vorhersage des Umformergebnisses schaffen. Zur Überprüfung kommt während des Umformungsprozesses ein optisches Messverfahren zum Einsatz, das permanent alle relevanten Daten auswertet und mit den Modellwerten abgleicht. Sollten sich Abweichungen ergeben, kann das System während des Prozesses automatisch reagieren. Hierfür stellt neben der Konstruktion des Zustellsystems vor allem die Entwicklung der Messtechnik eine große Herausforderung dar, da der gesamte Prozess von vielen variablen Parametern beeinflusst wird. „Im engen Zusammenwirken forschen die Projektpartner an einem Verfahren, das Potential für den internationalen Markt hat. Wir brauchen in Mecklenburg-Vorpommern noch mehr Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, um wettbewerbsfähige Produkte, Verfahren und Technologien zu entwickeln. Das stärkt die Wirtschaft und schafft nachhaltige Arbeitsplätze“, sagte Glawe.

 

Wirtschaftsministerium unterstützt vor Ort

Das Wirtschaftsministerium unterstützt das Vorhaben aus Mitteln des „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“ (EFRE) in Höhe von mehr als 1,8 Millionen Euro. Insgesamt beläuft sich das Projektvolumen auf mehr als 2,6 Millionen Euro. Für die EU-Förderperiode von 2014 bis 2020 stellt das Wirtschaftsministerium 168 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) zur Verfügung.

 

Drei Projektpartner forschen an innovativem Verfahren

Im Forschungsprojekt zeichnet sich die Ostseestaal GmbH & Co. KG für die Koordinierung sowie den Plattentransport, die Umformwerkzeuge und die elektronische Realisierung der Funktionsmuster verantwortlich. Die Fraunhofer-Gesellschaft ist für die theoretischen Aspekte der kaltplastischen Umformung, die optische Vermessung und die Steuerung sowie die Visualisierung des Umformprozesses zuständig. Die Universität Rostock übernimmt die Entwicklung einer inversen Steuerung.

 

Die Projektpartner

Die Ostseestaal GmbH & Co. KG in Stralsund ist eine Spezialfirma für die Herstellung und Lieferung von passgenauen Bausätzen aus zugeschnittenem und dreidimensional geformtem Metallblech und verfügt über ein langjähriges Know how zur technischen Planung und baulichen Ausführung innovativer und kundenspezifischer Schiffe, Konstruktionen und Ausrüstungen. Die Produkte werden nach Kundenwunsch maßgefertigt. Mehr als 130 qualifizierte Mitarbeiter sichern den Kunden eine gleichbleibend hohe Qualität.

www.ostseestaal.com

 

Aufgabenstellungen aus dem Bereich der Produktion und Fertigung von Großstrukturen bilden die Forschungsschwerpunkte der Fraunhofer-Einrichtung Großstrukturen in der Produktionstechnik IGP in Rostock. Auf Basis angewandter Forschung werden im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsprojekten mit unseren Kooperationspartnern Konzepte für Produkt- und Prozessinnovationen für viele Zukunftsbranchen der Wirtschaft wie Schiff- und Stahlbau, Energie- und Umwelttechnik, Schienen- und Nutzfahrzeugbau sowie Maschinen- und Anlagenbau entwickelt und realisiert. Im Rahmen eines Kooperationsvertrages arbeitet die Fraunhofer-Einrichtung Großstrukturen in der Produktionstechnik IGP dabei eng mit den Lehrstühlen Fertigungstechnik und Fügetechnik der Fakultät für Maschinenbau und Schifftechnik an der Universität Rostock zusammen und ist Mitglied in der Fraunhofer-Allianz Verkehr e. V. sowie in diversen Forschungsvereinigungen und -netzwerken. Seit 2005 wurden am Standort Rostock in drei Bauabschnitten über 4000 m2 Labor- und Bürofläche geschaffen, um der Industrie maßgeschneiderte Dienstleistungen zu ingenieurwissenschaftlichen Aufgabenstellungen anbieten zu können.

www.hro.ipa.fraunhofer.de

 

Am Lehrstuhl für Technische Mechanik/Dynamik der Universität Rostock werden die Grundlagen der Technischen Mechanik und darauf aufbauend die Gebiete Maschinendynamik, Dynamik von Kraftfahrzeugen, Robotertechnik, Dynamik von Mehrkörpersystemen, Elastische Mehrkörpersysteme und Technische Schwingungslehre vermittelt. Im Mittelpunkt der Forschung stehen die Dynamik und Regelung von Mehrkörpersystemen mit Anwendungen in der Maschinen- und Strukturdynamik, Windenergietechnik, Fahrzeugtechnik, Robotertechnik und muskuloskelettalen Biomechanik.

www.ltmd.uni-rostock.de